Aufbau von HI-Herz.BIKE Saar

PDF Download

Laufzeit 2017-2019

Pedelec-Training bei chronischer Herzinsuffizienz (Radeln mit schwachem Herzen) 

Körperliche Aktivität ist eine IA-Empfehlung für Patienten mit chronischen Erkrankungen des Herzkreislaufsystems, insbesondere der Herzinsuffizienz. In einer Multizenter-Studie an 2330 Pat. mit chronischer Herzinsuffizienz (Action-HF-Trial) konnte gezeigt werden, dass als Gesamtergebnis ein signifikant positiver Trend für die Endpunkte kardiovaskuläre Sterblichkeit und Hospitalisierung nachweisbar war. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen Piepoli et al. 2004, sowie Steinacker et al. 2004.
Nach den Empfehlungen der WHO sollten jedoch die Übungen vorwiegend als Ausdauertraining

5x/Woche je 30 min oder 1×150 min

stattfinden, was im Alltag jedoch nur selten praktiziert wird. Krafttraining ist möglich, wird meist in Kombination angeboten.

Nach den Ergebnissen der Studie Eurospire IV bestehen daher erhebliche Defizite in der konsequenten Durchführung dieser Empfehlungen.

Patienten in Herzgruppen mit der Empfehlung, 1x/Woche zu trainieren, machen da keine Ausnahme, indem nur etwa 20% der WHO-Empfehlung folgen.

Um diese Situation zu verbessern und eine attraktive Sportart als praktische Maßnahme anzubieten, kann man die Möglichkeiten des Radfahrens nutzen, das die sportlichen Beanspruchungen Ausdauer, Kraft, Koordination und Flexibilität bietet und so eine fast ideale Sportart für derartige Patienten darstellt. Radfahren ist jedoch in der konventionellen klassischen Form schlecht dosierbar und begünstigt Überlastungen, Stürze, Verletzungen.

Hier ist das elektrisch unterstützte Radfahren mit dem Pedelec eine sehr gute Möglichkeit, deren Vorteile wir in der ersten Pilotstudie des Herz.BIKE Saar-Projekts bereits nachweisen konnten. Auch Peterman et al. (2016) konnten einen positiven Effekt auf Blutdruck und Glukosetoleranz nachweisen.

Das Pedelec ist eine Sonderform des E-Bikes mit dosierbarer Tretunterstützung bis 25 km/h ohne Zulassung und Helmpflicht auf Radwegen und ist derzeit das meistgekaufte Elektrofahrrad insbesondere für den Älteren.

(gem. Leitlinie der DGPR)

  1. Ist Radfahren mit einem Pedelec, wie bereits im Projekt HBS I für Herzgruppenpatienten aus einer Trainingsgruppe gezeigt, auch für Patienten mit einer Herzmuskelschwäche als Trainingsansatz geeignet und sicher?
  2. Ist bei diesen Patienten (EF <=50%; NYHA II – III) ein dauerhafter Trainingseffekt nachweisbar?
  3. Läßt sich eine Verbesserung der Herzleistung, gemessen an der Auswurffraktion und am Standard- Ergometertest, nachweisen?
  4. Können positive Effekte auf die kardiovaskulären Risikofaktoren einschließlich Blutdruck, sowie auf spezifische Laborwerte wie NT-proBNP nachgewiesen werden?
  1. Gruppenstärke 10
  2. 6-monatige Herzgruppenzugehörigkeit (nach Möglichkeit)
  3. ärztliche Eingangsuntersuchung mit EKG, Ergometrie und Echokardiografie
  4. EF zwischen <=50%, NYHA II bis III
  5. ergometrische Leistung von mind. 50 Watt oder 0,7 Watt/kg KG
  6. klinische und therapeutische Stabilität
  7. Radfahrübung
  1. Bedeutsame Zusatzkrankheiten
  2. Gebrechlichkeit (Sturzgefahr)
  3. Fortgeschrittene Arthrose (Beweglichkeit)
  4. Gewichtszunahme i.d. letzten Wochen, zunehmende Luftnot (Hinweise auf HI-Verschlimmerung)
  5. Ruhe-Puls >= 100/min, Ruhe-Blutdruck >180 mm Hg syst.
  6. Z.n. Schlaganfall (< 3 Monate)
  7. Bedeutsame Herzrhythmusstörungen (dauerhaftes, symptomatisches Vorhofflimmern)
  8. ICD-Träger (eingebauter Schock-Defibrillator); Ausnahmen möglich?
  9. Diabetes schlecht eingestellt (HbA1C)
  10. Fieber
  1. 10 Patienten mit wenigstens 6 Monaten AHG-Teilnahme. Für diese spricht
    1. die vorhandene Basis-Fitness
    2. das Durchlaufen des Rehaprozesses,
    3. die Vergleichbarkeit mit dem Pilotprojekt
    4. die ausreichende klinische Sicherheit.
  2. aus Praxiskollektiven
  3. Spontanrekrutierung, Medien (?)

Gefahren wird  einmal/Woche (Dienstags 14:00) vom gleichen Startpunkt Schiffsanleger Saarlouis mit 20 -50 km Distanz und mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 18 – 20 km/h. Das Terrain ist der Saarufer-Radweg in zwei Richtungen: nach Norden in Richtung Merzig und nach Süden in Richtung Völklingen. Während der Fahrt erfolgt nach 5 km eine Befindlichkeitsabfrage.

Trainingsplan:
Trainingsablauf (1x/Woche, 30-150 min)

  • 0 Test (4 Wochen):
    TF 60%, Geschw. 18 km/h, Strecke ca. 10 km
  • I Monat 2-6
    TF 60%, Geschw. 20 km/h, Dauer 60 min, Strecke ca. 20 km
  • II Monat 7-14
    TF 70%, Geschw. 20 km/h, Dauer 120 min, Strecke 40 km
  • III Monat 15-20
    TF 70%, Geschw. 20 km/h, Dauer 150 min, Strecke 50 km
  • IV Monat 21-25
    TF 70%, Geschw. >20 km/h, Dauer 150 min, Strecke 50 km

(s.a. Grafiken)

I – WP 2017/2018 November bis März: 20 km, 20 km/h, 60%

II – SP 2018 27.3.2018  bis 25.9.2018: 30 km, 30 km/h, 70%

III – WP 2018/2019 2.Oktober 2018 bis 26.März 2019: 40km, 20 km/h, 70%

IV – SP 2019 2. April bis 3. September 2019: 50 km, 20 km/h, 80%

Bestimmung der Trainingsherzfrequenz nah TANAKA[12]:

208-(Alter*0,7)

Es wird ein errechneter 60-80% Trainingspuls (60-80% der HF-max)vorgegeben, was bei einem 75jährigen Probanden einem Puls von etwa 100-110/min entspricht.

Variationen der Trainingskriterien sind nach dem aktuellen Zustand der Gruppe, der Probanden und deren Verhaltens möglich.

Die Gruppe wird von einem Kardiologen und von einem Rettungssanitäter mit Notfallausrüstung begleitet.

Eine halbe Stunde vor Antritt der Fahrt können sich die Teilnehmer auf das Training einstimmen. Gymnastische Übungen werden angeboten.

Die Teilnehmer tragen Sensorbrustgurte der Fa. HeartGo und/oder Ergoline (s.u.).

Wir planen die Studie nicht nur für den Sommer in der „Freiluftsaison“, sondern auch in der Winterphase mit den Pedelecs in einer Standversion, um den zu erwartenden Trainingseffekt aufrechtzuerhalten..

Es werden folgende Daten erhoben und im Falle der Smartphonelösung lokal und in einer Datenbank gespeichert:

Personendaten auf dem Fahrrad

  1. Ruhepuls vor Antritt der Fahrt
  2. Pulswerte nach Halbstrecke
  3. Pulswerte bei Fahrtende
  4. Mittlere Pulsfrequenz
  5. Maximale Pulsfrequenz
  6. Die gefühlte Belastung nach den Kriterien der BORG-Skala
  7. Beschwerdecheck mit einer Skala von 1-6

Fahrraddaten (intelligente Smartphonelösung):

  1. Belastungsstufe (Dosierung)
  2. Feedback

Med. Personendaten (baseline characteristics)

Individualdaten:

  1. Alter,
  2. Größe,
  3. Geschlecht
  4. Gewicht,
  5. BMI,
  6. NYHA,
  7. EF,
  8. Blutdruck
  9. Untersuchungsdaten im Verlauf (Eingangs-, Zwischen- und Enduntersuchung):
    1. EKG
    2. Ergometrie
    3. Echodaten
    4. Labordaten (RF, NBZ, NT Pro BNP)
    5. Langzeit-EKG (HOLTER)
    6. Langzeit-Blutdruck
    7. 6-min-Gehtest

Über ein kommerziell angebotenes Datenerfassungsystem (Prinzip der Fa. HeartGo; www.heartgo.de)  werden die Daten zentral-kontinuierlich real time online erfasst. Das System basiert auf einer bluetooth-gesteuerten Smartphone-App, die über Sensoren die Pedelecdaten und die Fahrerdaten (EKG und Herzfrequenz) aufnimmt und zur Auswertung zu einem Internet-Portal sendet.

Das System nutzt ein speziell ausgestattetes Pedelec (Tiefeinstieg, Hinterradmotor, Bremshydraulik, Smartphone-Steuerung) und ist mit dem neuen, vom DFKI des Saarlandes in einem „Mentorbike“ genannten Projekt geprüften, intelligenten Feedback ausgestattet.

Dieses passt die individuelle Last und damit die Dosierung der Belastung an die jeweiligen Herzfrequenzen des Fahrers so an, dass der eingestellte Trainingspuls konstant gehalten wird. Dies sichert den Trainingseffekt.

Erfassung und Auswertung zu Beginn, in der Mitte und zum Ende der Studie.

[1] Bewegung ist eine elementare Säule der Herzinsuffizienztherapie

Halle M, Duvinage A, Edelmann F Herzmedizin 2, 34,2017

[2] O’Connor C, Whellan FJ, et al. Efficacy and Safety of Exercise Training in Patients With Chronic Heart Failure – HF-ACTION Randomized Controlled Trial JAMA 301, 1439, 2009

[3] Piepoli MF, Davos C, Francis DP, Coats AJ (2004) Exercise training meta-analysis of trials in patients with chronic heart failure (ExTra- MATCH). BMJ 328:189–192

[4] Steinacker, JM, Liu Y et al. Körperliches Training bei Patienten mit Herzinsuffizienz Dtsch. Z. Sportmed. 55,2004, 124

[5] Löllgen H Gesundheit, Bewegung und körperliche Aktivität Dtsch. Z. Sportmed. 2015,66,139

[6] EUROASPIRE IV: A European Society of Cardiology survey on the lifestyle, risk factor and therapeutic management of coronary patients from 24 European countries

Kornelia Kotseva, David Wood, Dirk De Bacquer et al. European Journal of Preventive Cardiology 23.6.2016

[7] Höltke V Grundlagen und Prinzpien des sportlichen Trainings, Ebook 2003

[8] Hennersdorf G, Saarl.Ärzteblatt 2017, 4, 17

[9] Peterman HE et al. Pedelecs as a physically active transportation mode Eur. J. Appl.Physiol. 2016 116, 1565

[10] Clin Res Cardiol Suppl 4:1–44 (2009) DGPR-Leitlinie körperliche Aktivität zur Sekundärprävention und Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen

[11] European Journal of Preventive Cardiology 2016 (Vol 23, Issue 11) 2016 European Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice

[12] Tanaka, H, Monahan K, Seals, DR; Age-predicted maximal heart rate revisited. JACC 2001, 37, 153–156

Günter Hennersdorf, im Februar 2018